Kunst und Philosophie: Fazit zu den "Events Willensfreiheit"
13.05.2015
Liebe Freunde von Sophisticated,
auf mehrfachen Wunsch möchte ich den schwierigen Versuch unternehmen, zusammenzufassen, welche zum Teil sehr divergierenden Beiträge zu unserer Frage, ob es denn „Willensfreiheit“ gäbe und falls ja, wie diese denn zu fassen sei, von den Teilnehmern auf den Events ausgeführt wurden.
Schon der Vortragende des Salon VIII, der Philosoph Dr. Siegfried Reusch, überraschte mit seinen Thesen: Den bildgebenden N-Euro-Wissenschaften
sprach er jegliche hermeneutische Hilfe ab. Die CTs, NMRs etc. zeigen zwar, DASS sich im Gehirn etwas abspielt, helfen uns aber nicht zu mehr Verständnis.
Den Naturwissenschaften stand Dr. Reusch insgesamt sehr skeptisch gegenüber und lieferte viele Beispiele, wie schnell lange als ehern erachtete Gesetze kippen können (Bsp.: „Kopernikanische Wende“: Das geozentrische Weltbild fiel zugunsten des heliozentristischen Weltbildes; heute gelten beide als veraltet, weil unser Sonnensystem nur eine Winzigkeit im gesamten Universum darstellt). Ein weiteres Beispiel von mir: Homosexualität war in meiner Jugend noch ein schwerwiegender Straftatbestand, im StGB verankert ...
Auch der Inquisitionsprozess gegen Galileo Galilei zeigt auf - und dies wurde insbesondere von den anwesenden Physikern bestätigt, dass wir alle in einer gewissen Zeit, mit einer Sozialisation, in einem Umfeld leben, in denen jeweils von Politik, Gesellschaft und Kirche bestimmte Weltbilder, religiöses Bilder, zu präferierende Lebensweisen und Status-Symbole vorgegeben werden:
Zitat: „Wir sind alle gebrainwashed“…
Gibt es für jeden Einzelnen von uns also überhaupt Möglichkeiten, aller Sozialisation, aller Status-Symbole, aller Gesetze, aller Triebhaftigkeit, allen Pflicht-Bewusstsein, allen materiellen Zwängen, allen vorgegebenen Weltbildern, aller Strafandrohungen der Justiz zum Trotz Möglichkeiten, (zumindest) zu einer (graduellen) Willensfreiheit zu gelangen?
Für mich selbst überraschenderweise wurde zB die These geäussert, dass die Voraussetzungen und Grundlagen für das Erlangen einer Willensfreiheit
„Sicherheitsempfinden“, bekannte und verlässliche "Hierarchien“, Wissen um Naturgesetze, Rituale (auch die der Religionen) und das Wissen um Verantwortung,
um die Konsequenzen eigenen Handels (Pflichtbewusstsein, Sozialisation) seien. Erst aus dieser Sicherheit heraus sei Freiheit überhaupt entwickelbar:
Hierzu hätte ich mir gerne die Meinung meiner afro-kanarischen Freunde gewünscht, deren Weltbilder sich diametral von den Unseren unterscheiden ...
Dagegen wurde argumentiert, dass Ausgangspunkt für Willensfreiheit immer Subjektivität und Individualität seien, dass wir alle sehnsuchtsgetrieben seien
und somit alle in einem Dilemma stecken, denn letztendlich konnte nicht geklärt werden, was es benötigt, damit Subjektivität, Individualität und Sehnsüchte
zugelassen, erarbeitet und ausgelebt werden können, wo wir doch alle in einem Umfeld leben, das von Gesetzen, Sozialisation, Normen, Direktiven,
dem Kapital, einem materialistischen Weltbild und der Macht (weniger Menschen, Institutionen oder Firmen) beeinflusst bis dominiert werden.
Eine Teilnehmerin argumentierte dagegen, dass es dennoch jedem von uns möglich sei, sich seiner ureigenen Bestimmung gewahr und bewusst zu werden.
Der nächste Teilnehmer konterte, indem er ausführte, dass in unserer Gesellschaft ein Weltbild der Funktionalität herrscht, das uns immer wieder in Rollen
zwingt, die dann zwar Sicherheit suggerieren, aber damit individuelle Willensfreiheit konterkarieren und ausschliessen würden.
Eine weitere, in meinen Augen sehr interessante Aussage: „Man möchte der Welt etwas hinterlassen“, impliziert diese Aussage doch, dass das einzelne
Subjekt, Du und ich, in der Lage seien, etwas Neues zu kreieren, zu schaffen, was über das eigene Leben hinaus (wirksam) bleibt; hier spüre ich den Wunsch
nach Möglichkeiten, die narzisstische Kränkung unserer (allen gemeinsamen!!!) Endlichkeit zu überwinden.
Sehr gut gefiel mir die Aussage eines Anwesenden, der meinte, er fühle sich prinzipiell unfrei, könne sich jedoch auf „Mikro-Ebenen“ Freiheiten schaffen.
Ich denke, dass Dr. Siegfried Reusch „in die gleiche Kerbe schlug“: Je mehr Bewusstsein wir uns darüber erarbeiten, was uns drängt, antreibt, motiviert, leitet,
abhängig macht, umso höher wird die Chance, (Zitat) "in unserem Leben die Prioritäten selbst festzulegen“, statt immer nur eine (Statisten-) Rolle zu spielen.
So möge jeder für sich in sich hineinhören, ob es ihm wichtig ist, (Zitat) "gebraucht zu werden“, ob er vielleicht sogar gerne „nur“ Rollen spielt, weil sie ihm
(wichtige) Sicherheit vermitteln, ob er Freiheit überhaupt anstrebt, weil diese auch sehr einsam machen kann.
Jeder von uns besitzt zumindest die Möglichkeit, die oben genannten Antipoden des Lebens in sich selbst dergestalt zu „ordnen“, dass das Bewusstsein des Vorgegebenen, der Geworfenheit und des Normativen in eine individuelle „Stimmigkeit“ von Einigkeit, Brüderlichkeit und Freiheit umgearbeitet werden kann.
Letztendlich habe ich Dr. Reusch so verstanden, dass er uns dazu aufrufen möchte, uns an jeder Weggabelung (des Lebens) bewusst zu machen, dass wir selbst es sind, die in jedem Moment entscheiden, ob wir links oder rechts abbiegen. Seine ureigene „Pointe“, zu behaupten, der Philosoph würde höchstwahrscheinlich querfeldein laufen, ist in meinen Augen einige Momente des Nachsinnens wert …
So bleibt mir, SIE auf unsere nächsten „Saloons“ aufmerksam zu machen, die am 12.06. (Salon IX) sowie am 09.10.2015 (SalonX) wiederum ab 19h in der
Widenmayerstrasse 12 in den Räumen der Contentus GmbH stattfinden. Und SIE um ein Feedback zu dieser Form von Veranstaltung zu bitten!
Die meiner Ansicht nach überaus wichtigste, immer noch unterschätzte „nicht-sprachliche Ebene“, die Kunst, wird unsere Veranstaltungen natürlich
weiterhin (nicht nur) begleiten:
Bis Ende August sind in der Widenmayerstrasse (wechselnderweise) bedeutende informelle Arbeiten zu sehen (u.a. K.O. Götz und Fritz Winter)
Im Sep. und Okt. 2015 werden die neuesten Arbeiten des Berliner Künstlers Roman Lipski gezeigt,
im Nov. und Dez. 2015 folgt eine Ausstellung der Münchner Künstlerin Sylwia Synak,
ab Jan. 2015 stellen wir die junge Münchner Künstlerin Gabriele Rottler aus.
Herzliche Grüße!
Ralf Dellert
www.sophisticated-art.com
Galerie-Räume in der Widenmayerstrasse 12
80538 München